Home Angebot Über mich Blog EN Login

Fremdbestimmung Werbung

Videowerbung, immer und überall

Neulich, auf der Autobahn. Ich mache Halt in einem der Rastplätze unterwegs.

Ich gehe zum Damen-WC. Erst als ich ans Waschbecken trete, fallen mir die festinstallierten Tablets über den Wascharmaturen auf. Drei Waschbecken, drei Tablets. Und auf allen dreien: Werbung in Dauerschleife. Ein Schauspieler wirbt für seinen neuen Film. Und drei bekannte Fussballspieler werben für einen Rasierapparat. Ja, auch in der Damentoilette. 

Nach der ersten Überraschung über das ungewohnte Werbeformat setzt bei mir erst Unbehagen, dann Wut ein. Entsetzen über die Vereinnahmung eines der letzten, bis dahin video-werbungsfreien Plätze. Hier habe ich keine Wahl, NICHT hinzuschauen oder wahrzunehmen, will ich meine Aufmerksamkeit auf das Händewaschen richten, denn die Tabletwerbung liegt gewollt im Blickfeld. 

WC-Anlagen waren bislang Rückzugsorte, frei von agressiver, aufdringlicher Zwangsbewerbung. Ich wünsche mir, dass das so bleibt. Ich will die Wahl haben, ob ich mir die Reklame zumute oder nicht. In TV und Radio kann ich den Sender wechseln, im Bus oder Bahn kann ich den Blick abwenden, im Internet besuche ich werbestrotzende Webseiten kein zweites Mal.

Ich empfinde die immer aggressiver auftretende Werbe-Dauerberieselung auf allen Kanälen (und ich spreche nicht von Spam) als unerträglich. Sie ist ein perfektes Beispiel für die überbordende Fremdbestimmung durch die Konsumgesellschaft. Was kommt als Nächstes? Werbeunterbrechungen im Flugzeug-Film? Integrierte Bildschirme in Restauranttischen? Reklamefilmchen im Zahnarztwartesaal? Video-Screens auf dem Sessellift? Die Übergriffigkeit macht nicht mit dem Visuellen halt, auch die akustische Werbeverschmutzung im Supermarkt ist so nervig wie die Lautsprecherdurchsagen in japanischen Landschaftsgärten. 

 

Jetzt will ich einmal NEIN sagen.

Nein, ich möchte keine Werbedauerberieselung von morgens bis abends, von der Wiege bis zur Bahre. Ich habe genug von dem unsäglichen Werbegealbere in Radio über die Reklameposter am Strassenrand bis hin zur durchgängigen Plakatierung der Bahnhofswände. Seit einigen Jahren gibt es Videobildschirme im öffentlichen Nahverkehr, an den Bahnhöfen locken LED Anzeigen. Ein Entkommen ist so gut wie unmöglich, aber wir haben gelernt, die Belästigung hinzunehmen - entweder als unumgängliches Übel oder als Anreiz oder Unterhaltung auf dem Weg zur Arbeit. Ja, es gibt unterhaltsame und clever gemachte Werbung, und ich bin die letzte, zu behaupten dass Werbung auf mich keine Wirkung hätte. Aber ich möchte selber entscheiden, wann und wie ich mir die Werbung zumute.

Was macht die Dauerberieselung mit uns Menschen? Wir haben uns inzwischen so an die permanente Belagerung im öffentlichen Raum gewöhnt, dass wir abgestumpft sind. Wir lassen die Videobotschaften gleichgültig an uns abperlen und widmen uns statt dessen lieber den eigenen Smartphone-Bildschirmen. Trotzdem sinkt die Werbung ein und manipuliert uns, subtil, dauerhaft.

Halten wir überhaupt noch Ruhe aus?

Wir brauchen Rückzugsorte, auch ausserhalb der eigenen vier Wände. 

 


Photo von Joshua Earle auf Unsplash

 

Close

50% Complete

Two Step

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit, sed do eiusmod tempor incididunt ut labore et dolore magna aliqua.